INTERVIEW – Marwin Hitz, ist Yann Sommer oder Gregor Kobel der bessere Goalie?

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Im stürmischen FC Basel ist der Torhüter nach 14 Jahren Bundesliga der ruhende Pol. Hitz erzählt, wie er unter dem Schleifer Felix Magath und mithilfe Diego Benaglios zum Bundesliga-Goalie reifte. Mit der Nationalmannschaft hat sich der 36-Jährige versöhnt.

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«Jenes Interview war kein schöner Moment für mich»: Marwin Hitz scheut sich als Torhüter des FC Basel nicht davor, Stellung zu beziehen. –> <!–>

«Jenes Interview war kein schöner Moment für mich»: Marwin Hitz scheut sich als Torhüter des FC Basel nicht davor, Stellung zu beziehen.

Luigi Rizzo / Getty

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Sie machten während der Juniorenzeit im FC St. Gallen eine normale KV-Lehre bei einer Ausgleichskasse. Wie brachten Sie alles in Einklang?

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Ich konnte nicht so viel trainieren wie andere, in den Junioren-Nationalmannschaften war ich auch darum nur selten dabei. Es war immer kompliziert, nur schon mit Frei- und Ferientagen. Und was man oft vergisst: die Müdigkeit. Mit der Lehre und dem Fussball hatte ich zwei Jobs. Und in den Ausgang will man in dem Alter auch einmal. Erst nach dem KV-Abschluss mit 20 Jahren kam ich erstmals in Kontakt mit dem Profibetrieb.

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Sie wechselten 2008 mit 21 Jahren von Winterthur zum deutschen Spitzenklub Wolfsburg. Ein grosser Sprung. Wie kam es dazu?

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Ein halbes Jahr war ich in Yverdon, dann ein halbes Jahr in Winterthur. Im Sommer war Wolfsburg auf der Suche nach einer jungen Nummer 3 im Tor. Der Schweizer Andreas Hilfiker war in Wolfsburg Goalietrainer von Diego Benaglio, ihn kannte ich von einem gemeinsamen Sommertraining. Und der Cheftrainer in Wolfsburg hiess Felix Magath. Er hatte gute Erfahrungen gemacht mit Schweizern; Magath hatte einst Benaglio von GC nach Stuttgart geholt als junge Nummer 3. Ich hatte also eine ähnliche Ausgangslage wie damals Diego.

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Viele schüttelten den Kopf und fragten, was dieser Hitz denn in Wolfsburg will, wenn er es nicht einmal in der Super League zur Nummer 1 schafft.

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Sicher gab es Leute, auch Trainer, die sagten, nach einem halben Jahr ist der Hitz wieder zurück in der Schweiz und verschwindet dann irgendwo.

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Sie lächeln. Es ist anders herausgekommen. Warum?

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In Wolfsburg lernte ich, professionell zu trainieren. Ich war ein wenig zu schwer, mir fehlte die Muskulatur für einen Profisportler. Und das Schicksal wollte es, dass ich unter die Fittiche von Magath kam, einem der härtesten Trainer überhaupt. Aber ich merkte in den ersten anderthalb Jahren, dass sich unter einem Trainer wie Magath harte Arbeit ausbezahlt, weil er jedem Spieler eine Chance gibt. Es war hart. Diego Benaglio, schon damals einer der besten Bundesliga-Goalies, hat mir sehr geholfen, dass sich mein Denken in der Anfangszeit verändert hat.

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Gab es Zweifel?

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Ja, es gab solche Momente. Wenn ich nicht mehr die Treppe hinaufgehen oder nur noch knapp ins Auto steigen konnte vor Schmerz und Müdigkeit. Diego sagte: «Mach einfach weiter, so wirst du besser.» Er war das Vorbild für mich, dass es sich lohnt. Er hatte bei Stuttgart unter Magath das Gleiche durchgemacht, als er GC in jungen Jahren verliess. Es war wichtig, ihn als Ansprechpartner zu haben.

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Diego Benaglio (rechts) war für Marwin Hitz mehr als ein Wegbegleiter. –> <!–>

Diego Benaglio (rechts) war für Marwin Hitz mehr als ein Wegbegleiter.

Imago

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Im Februar 2010 gaben Sie im Tor des deutschen Meisters gegen Schalke das Debüt, Ihr erstes Spiel auf höchster Profistufe.

Es war unwirklich. In Winterthur oder Yverdon war es ein Traum von mir, in der Bundesliga zu spielen. Plötzlich war es so weit, weil sich Diego verletzt hatte.

Sie wurden zur verlässlichen Nummer 2 hinter Benaglio. Wie merkten Sie, dass Ihnen die Rolle als Stellvertreter nicht mehr genügt?

Nach fünf Jahren in Wolfsburg war ich bereit, den Schritt zur Nummer 1 zu machen. Auch die Trainer sahen das so. Aber ich war nicht bereit, Diego anzugreifen, obwohl das gefordert wurde. Ich wechselte nach Augsburg.

Bundesliga-Geschichte: Marwin Hitz macht in Köln ein Loch beim Penaltypunkt.

Warum waren Sie nicht bereit, das Duell gegen Benaglio anzunehmen?

Ich konnte es einfach nicht. Wir verstanden uns zu gut. Diego hat mir nicht nur im ersten Jahr enorm geholfen. Ohne ihn wäre ich vielleicht tatsächlich nach sechs Monaten wieder in der Schweiz gelandet. Und Diego zeigte nach wie vor sehr gute Leistungen. Aber ich war reif für einen Stammplatz. Also ging ich nach Augsburg.

In Augsburg begannen Sie die Saison auf der Ersatzbank. Sind Sie erschrocken?

Ich sage es so: Ich war erstaunt. Aufgrund der Vorgespräche rechnete ich mir aus, die Saison als Nummer 1 anzufangen. Ich hätte nicht wechseln müssen, auch finanziell war Wolfsburg interessanter als das kleine Augsburg. Ich musste mich wieder gedulden. Wie schon vorher in meiner Karriere war ich nah an der Nummer 1, aber ich war sie nicht. Meine Frau hat mich sehr dabei unterstützt, ruhig zu bleiben. Und sie hatte recht. Nach ein paar Wochen war ich dann doch Stammgoalie.

Zdenko Miletic, Ihr Goalietrainer in Augsburg, sagte uns, er habe Sie zu Beginn ein wenig aus der Reserve locken müssen.

Ach, Zdenko! Vielleicht hatte ich so gewirkt. Ich wollte zuerst den Klub und die Menschen kennenlernen.

Waren Sie zu lieb, zu wenig aggressiv?

Der andere Goalie hatte Augsburg gerade vor dem Abstieg gerettet. Das verdiente Respekt. Ich komme nicht an und sage, guten Tag, ich bin die neue Nummer 1. Das ist nicht mein Charakter. Aber selbstverständlich wollte ich spielen, keine Frage. Es ist Aufgabe der Trainer und des Vereins, eine solche Situation zu moderieren – auf der Basis, dass ich im Training Topleistungen zeige. Und im Rahmen des Anstands und der Vernunft.

In Augsburg wurde Marwin Hitz endlich zur Nummer 1.

In Augsburg wurde Marwin Hitz endlich zur Nummer 1.

Lukas Schulze / Getty

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Daraus schliessen wir, dass Oliver Kahn nicht Ihr Vorbild war.

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Falsch! Ich bewunderte Kahn, vor allem in meiner Jugend. Später wurden eher Goalies wie Jens Lehmann zu Vorbildern. Kahn hat seinen Stil bis zuletzt beibehalten, während Lehmann auch im fortgeschrittenen Alter sein Spiel weiterentwickelt hat. Das ist auch meine Haltung: stets neugierig zu bleiben für neue Lösungen und Anpassungen. Es fällt mir leicht, Änderungen in meinem Spiel vorzunehmen. Ich bin kein Goalie, der zeigen will, dass er besonders weit wirft oder spektakulär hechtet. Es geht immer um die Situation und um das Gespür, was die Mannschaft braucht, je nach Stil und Qualität.

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2015 waren Sie einer der besten Bundesliga-Goalies, vor Yann Sommer und Roman Bürki. Doch im Nationalteam blieben Sie bis zu Ihrer Absage für die WM 2018 ein freundlicher Reisebegleiter.

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Vor der WM in Russland hatte ich den Eindruck, dass ich daheim in Dortmund von meinen Kindern und der Familie mehr gebraucht werde als im Nationalteam. Die Wahrscheinlichkeit, in der Nationalmannschaft gebraucht zu werden, war klein. Mein Entscheid war auch im Nachhinein richtig. Ich hatte in jenem Sommer eine schöne Zeit mit der Familie.

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Insgesamt war Ihre Zeit im Nationalteam nicht so schön – wie schauen Sie zurück?

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Ich bin versöhnt. Aber es stimmt, dass es Stimmungsschwankungen gab. Nach Diegos Rücktritt 2014 war die Hierarchie sofort klar: Sommer, Bürki, Hitz. Wir Goalies sind untereinander mit der Situation gut umgegangen. Aber die Bindung des Trainers zu seiner Nummer 1 war zu eng, von Deutschland her kannte ich das nicht.

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Sie sprechen von Patrick Foletti.

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Er liess Roman und mich sehr schnell spüren, wer die Nummer 1 ist. In einem Interview vor der EM 2016 sagte er, Yann sei wie ein Sohn für ihn. Es ist schön, wenn es im Fussball menschliche Bindungen gibt. Aber es war nicht einfach, als Profis damit umzugehen. Ich habe dann mal offen und ehrlich meine Meinung gesagt.

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In Ihrer Statistik stehen zwei Länderspiele.

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In meiner Topphase in Augsburg wäre es auch für meine Karriere kein Nachteil gewesen, das eine oder andere Spiel zu bekommen. Die Nationalmannschaft hat Strahlkraft, sie ist ein Schaufenster. Es hätte Möglichkeiten gegeben für Einsätze. Nicht nur gegen Liechtenstein oder in Estland, als wir bereits qualifiziert waren. Das nagte an mir und trieb mich zu sehr um in einer Situation, die ich offensichtlich nicht ändern konnte. Deshalb war es für alle gut, dass ich damals für die WM absagte.

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Drei Schweizer Goalies und eine klare Nummer 1 an der EM 2016: Yann Sommer, Roman Bürki und Marwin Hitz (von links). –> <!–>

Drei Schweizer Goalies und eine klare Nummer 1 an der EM 2016: Yann Sommer, Roman Bürki und Marwin Hitz (von links).

Jean-Christophe Bott / Keystone

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Ausser in Augsburg waren Sie immer mit anderen Schweizer Nationalgoalies im Klub: Benaglio in Wolfsburg, Bürki in Dortmund, und dann kam Gregor Kobel zum BVB. Frage: Ist Kobel oder Yann Sommer der bessere Goalie?

Für mich? Kobel. Er ist top. Wir sind zwar zwei völlig verschiedene Menschen, Gregor kommt rein, umarmt jeden und nimmt alles in Beschlag. Und klar war ich enttäuscht, als man mir in Dortmund sagte, sie holten mit Kobel eine klare Nummer 1. Aber nach einer Weile musste ich den Verantwortlichen sagen: «Ihr habt die richtige Entscheidung getroffen.» Ich erlebte, wie Gregor arbeitet, sah sein Talent, die Explosivität. Er ist ein unglaublich guter Goalie.

Sie waren wieder zu lieb.

Nein. Es gab Gespräche im BVB. Ich machte deutlich, dass ich nicht bereit bin, als zufriedener Ersatzgoalie die Karriere ausklingen zu lassen. Ich brauchte schon immer Ziele.

Marwin Hitz in Dortmund.

Als Goalie sind Sie oft einsam. Wie gehen Sie damit um?

Einsam ist ein grosses Wort. Ich fühle mich als Mannschaftssportler, das schon. Aber ich bin gerne auch für mich.

Und dann lesen Sie ein Buch. Sind Sie ein Intellektueller?

Weil Sie mich mal mit Brille und Buch gesehen haben? Ich will möglichst viel mitbekommen, auch als Fussballer. Nicht nur möglichst viel Geld verdienen. Ein Buch zu lesen, ist für mich ein Teil davon.

Als Sie vor anderthalb Jahren nach Basel kamen, hatten Sie die Vorstellung vom FCB als grösstem und wichtigstem Klub in der Schweiz. Mussten Sie diese korrigieren?

Wir alle mussten diese Vorstellung vermutlich korrigieren. In Sachen Strahlkraft und Medieninteresse ist der FCB wohl nach wie vor der grösste Schweizer Klub. Die Zeiten in der Champions League und die Titel in Serie liegen noch nicht weit zurück. Aber Philosophie und Ausrichtung haben sich geändert, daran müssen wir uns alle gewöhnen. In jüngster Zeit hatten wir so viele Zu- und Abgänge wie nur wenige Klubs in Europa. Das ist nicht hilfreich für die Stabilität eines Teams, da muss man nichts schönreden.

In der letzten, Ihrer ersten Saison im FCB erreichten Sie den Halbfinal in der Conference League. War dieser Erfolg Blendwerk?

Im Frühling hatten wir uns gefunden mit der jungen Mannschaft und zeigten gute Spiele. Die Meisterschaft war mit Frust verbunden, aber am Ende überwog das Gefühl: Es ist etwas entstanden.

Es kam anders. Nach der Heimniederlage gegen Lausanne analysierten Sie im TV-Interview ganz ohne Schuldzuweisung präzis die Situation im FCB. Gab es danach intern Probleme?

Man kann sicher über den Zeitpunkt diskutieren. Jenes Interview war kein schöner Moment für mich, ich war auch Teil von dem, was nicht funktioniert hat. Was ich gesagt habe mit den vielen jungen Spielern, die frisch im FCB sind, das war kein Geheimnis. Ich konnte nicht so tun, als würde ich nicht sehen, was alle sehen. Wir alle sollten etwas bescheidener werden und versuchen, alles wieder auf stabilere Füsse zu stellen. Dann wird auch wieder etwas entstehen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.

Vergangene Saison erlebte Marwin Hitz mit dem FC Basel in der Conference League einen Höhenflug. Doch die Erfolge waren nicht nachhaltig.

Vergangene Saison erlebte Marwin Hitz mit dem FC Basel in der Conference League einen Höhenflug. Doch die Erfolge waren nicht nachhaltig.

Jakub Gavlak / EPA

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In Deutschland gross geworden

ram. · Seit anderthalb Jahren ist der 36-Jährige Goalie im FC Basel. Hitz kam von Borussia Dortmund, wo er zuerst mit Roman Bürki und zuletzt mit Gregor Kobel zum BVB-Goalieteam gehörte. Hitz gelangte in vier Jahren 46 Mal zum Einsatz. Der Ostschweizer startete seine Karriere im VfL Wolfsburg und wurde in Augsburg zum Stammkeeper. Im Schweizer Nationalteam kam Hitz auf zwei Einsätze. Der Vertrag beim FCB läuft bis Juni 2025.

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